Bad Endorf – Wo Parkplätze heilig und Tempo 30 Häresie ist.

Bad Endorf, dieses idyllische Kurörtchen in den bayerischen Voralpen, hat eine Mission: die Heiligsprechung des Parkplatzes. Es gibt Dinge, über die wird hier nicht diskutiert – und ganz oben auf der Liste steht der freie Raum für Autos. Ob in der Ortsmitte oder am Bahnhof, Parkplätze sind die Kathedralen des öffentlichen Raums, und wer es wagt, sie in Frage zu stellen, läuft Gefahr, als Häretiker geächtet zu werden.

Aber wo Platz für Autos ist, ist natürlich wenig Platz für Menschen – zumindest für die, die sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen. Besonders anschaulich zeigt sich das im geplanten Bad Endorfer Verkehrskreisel. Hier soll der Verkehr frei fließen wie die Bächlein herunter von den Bergen. Fußgänger? Radfahrer? Tempo 30? Was für Unfug! Bad Endorf setzt auf Geschwindigkeit, und wer auf die Idee kommt, zu Fuß die Hauptstraße zu queren, wird schnell eines Besseren belehrt: Lieber den Parkplatz suchen, ins Auto steigen und am Ziel direkt vor der Haustür parken. Schließlich ist das hier der echte Ausdruck von Freiheit!

Tempo 30? War da was? Es gab tatsächlich einmal Stimmen, die davon sprachen, die Geschwindigkeit in der Ortsdurchfahrt zu drosseln, um die Straßen sicherer zu machen. Aber diese Stimmen wurden schnell übertönt – von aufheulenden Motoren und der rhetorischen Frage: „Und wie soll ich dann zügig zur Arbeit kommen?“ Tempo 30 mag in anderen Gemeinden als Maßnahme für mehr Sicherheit und Lebensqualität gelten, aber in Bad Endorf? Hier würde das die Autoseele verletzen. Geschwindigkeit ist hier keine Frage der Verkehrsberuhigung, sondern eine des Grundrechts.

Dass man in einem Kurort, der mit Gesundheit und Entspannung wirbt, über mehr Aufenthaltsqualität nachdenken könnte, bleibt eine Randnotiz. Stattdessen wird fleißig daran gearbeitet, den Autoverkehr ungestört zu halten. Radfahrer und Fußgänger? Ach, die sollen doch froh sein, dass sie die Straßenseite überhaupt erreichen dürfen. Aber natürlich nur, wenn sie schnell genug sind. Es ist fast, als wäre die Ortsmitte ein Denkmal für eine längst vergangene Zeit, in der das Auto noch als Symbol für Fortschritt galt – und nicht als Ursache für Staus und schlechte Luft.

Bad Endorf hätte so viel Potenzial, sich als modernes, nachhaltiges Vorbild zu präsentieren. Stattdessen wird der Verkehrskreisel zum Tempel der freien Fahrt erhoben, und der Parkplatz bleibt die heilige Kuh. Wer auf die Idee kommt, das zu ändern, könnte gleich vorschlagen, den Biergarten abzuschaffen. Und so fließt der Verkehr weiter, als sei nichts gewesen, und Tempo 30 bleibt ein ferner Traum. Freiheit ist schließlich, wenn das Auto überall hin kann – und alle anderen besser aufpassen.

Claudia Bergmann

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