Hat der Klimawandel Auswirkungen auf die Eggstätt-Hemhofer Seenplatte?

Christine Wildgruber hat beim Experten nachgefragt:

Ein Interview mit Patrick Guderitz, Dipl.-Ing. Landschaftsplanung und Gebietsbetreuer in Bayern (derzeit gibt es 68 Gebietsbetreuer in Bayern in 56 Gebieten auf rund 30% der bayerischen Landesfläche), zuständig für das Naturschutzgebiet.

Wer mehr zum Naturschutzgebiet erfahren will: Patrick ist unter dem Account „eiszeitseen“ auf Instagram für die Seenplatte unterwegs.

Christine Wildgruber: Wirkt sich der Klimawandel auch auf das Naturschutzgebiet Eggstätt-Hemhofer-Seenplatte aus oder sind Tendenzen zu erkennen, die Folgen des Klimawandels sein könnten? Wenn ja, welche und wie sind diese ggf. zu bewerten (positiv/negativ/neutral/nicht bewertbar)?

Patrick Guderitz: Es ist tatsächlich gar nicht so einfach den Klimawandel an sichtbaren Veränderungen in der Seenplatte fest zu machen. Indizien für klimatische Veränderungen gibt es schon, z. B. wärmebedürftige Tierarten, die neu bei uns auftreten, oder die generell eher niedrigen Grundwasserstände in Bayern. Allerdings kommen für diese Entwicklungen auch eine Reihe anderer Ursachen in Frage, wie z. B. unangepasste Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft oder die zunehmende Flächenversiegelung. Prinzipiell muss man die Entwicklungen beim Klima in zeitlich so großen Maßstäben betrachten, dass meine vergleichsweise kurze Zeit hier als Gebietsbetreuer leider nicht ausreicht, um da fundierte Aussagen zu machen.

Christine Wildgruber: Was muss/müsste getan werden (ggf. auf unterschiedlichen Ebenen: regional, deutschlandweit, in Europa, weltweit), um das Naturschutzgebiet vor negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen?

Patrick Guderitz: Prinzipiell genießt das Naturschutzgebiet ja schon jetzt einen sehr hohen Schutzstatus hinsichtlich der Bewirtschaftung und des generellen Nutzungsdrucks. Für die Eiszeitseen rechne ich deshalb damit, dass sie kurz- und mittelfristig noch mit vergleichsweise geringeren Veränderungen zu kämpfen haben werden. Langfristig könnte es aber aufgrund der oben schon angesprochenen Niederschlags- und Grundwasserproblematik auch hier zu größeren Veränderungen kommen. Den zukünftigen (negativen) Veränderungen entgegenzuwirken, wird am ehesten über eine angepasste Pflege der Flächen im Naturschutzgebiet und auch darüber hinaus zu erreichen sein. Man darf sich aber auch nichts vormachen – Veränderung ist der Lauf der Dinge. „Die Natur“ ist nicht statisch und hier von gut und schlecht zu sprechen ist per se schon nicht ganz einfach. Es wird Gewinner und Verlierer des Klimawandels geben. Unsere Möglichkeit der Einflussnahme scheint mir diesbezüglich aber leider (nur noch) begrenzt zu sein. Einige Klimamodelle gehen für die Zukunft in unseren Breiten von häufiger wiederkehrenden Extremwetterereignissen wie z. B. Starkregen aus. Eine Folge daraus könnte beispielsweise der erhöhte Eintrag von Feinstoffen in unsere Gewässer sein. Dies ginge zum einen zulasten der Gewässerökologie, zum anderen stellte ein solches Szenario natürlich auch die Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Der Verlust des Oberbodens und der damit einhergehende Ertragsverlust müssten dann wiederum kompensiert werden. Eine solches Szenario führte dann tendenziell eher zu einer Intensivierung der Landwirtschaft mit den entsprechenden Folgen für Natur und Umwelt. Auf der anderen Seite wird eine profitable Bewirtschaftung der Flächen für Landwirte mit zunehmender Veränderung des Klimas und der o. g. Folgen immer anspruchsvoller und schwieriger. Schon jetzt ist zu beobachten, dass es insbesondere für kleine und mittlere Betriebe immer schwieriger wird „mitzuhalten“. In der Konsequenz geben viele Bauern auf und der Naturschutz verliert seine Partner. Naturschutzgebiete wiederum stellen schon jetzt Refugien für Pflanzen, Tiere und auch uns Menschen dar. Auch in Zukunft wird der Druck auf die Schutzgebiete hoch bleiben, denn gerade das vergangene Jahr hat uns vor Augen geführt, wie wichtig Erholung und Bewegung in der Natur sind. Im Zuge der zu erwartenden Veränderungen ist es aus meiner Sicht also umso wichtiger uns diese Gebiete zu erhalten.

Christine Wildgruber: Welche Maßnahmen wurden ggf. bereits eingeleitet, um negative Auswirkungen zu entschärfen/zu verhindern?

Patrick Guderitz: Im Naturschutz geht es ja schon jetzt häufig darum negative Auswirkungen verschiedenster Art zu minimieren oder zu vermeiden – dafür arbeiten tagtäglich viele Menschen in den Behörden und Vereinen hart und unermüdlich. Ihnen gebührt unser besonderer Dank. Insbesondere jene Maßnahmen und Konzepte die zur langfristigen Erhaltung der Lebensräume und Biotope beitragen, werden in Zukunft von noch größerer Bedeutung sein. Dazu gehört aus meiner Sicht vor allem die Erhaltung und Wiederherstellung unserer Moore. Neben ihrer wichtigen Funktion als CO2-Speicher für das Klima, sind sie essentieller Lebensraum für unzählige seltene und gefährdete Arten. Es muss uns also vor allem gelingen das Wasser in den Flächen zu halten und wo dies möglich ist, auch die Entwicklung umzukehren und die Entwässerung von Moorflächen zu beenden. Diese Erkenntnis scheint sich aber in letzter Zeit zunehmend durchzusetzen. In Bayern gibt es z. B. seit längerem und mit großem Erfolg das Klimaprogramm 2050 (KLIP 2050 als Nachfolger des Klimaprogramms 2020), das sich vor allem mit der Sicherung und Optimierung von Mooren für den Klimaschutz und die Erhaltung der Biodiversität einsetzt. Auch die wachsende gesellschaftliche Verankerung der Gebietsbetreuer in Bayern, der Naturpark-Ranger und Biodiversitätsberater zeigt, dass das Thema in der Gesellschaft angekommen ist.

Christine Wildgruber: Was kann jede(r) einzelne von uns tun, um negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Seenplatte zu verhindern bzw. zu entschärfen und um das Naturschutzgebiet zu erhalten?

Patrick Guderitz: Wichtig ist für mich, dass wir uns kontinuierlich hinterfragen – als Konsumenten und als Nutzer der Natur im weitesten Sinne. Wie verhalten wir uns möglichst naturverträglich, welche Auswirkungen können wir erkennen und was können wir entsprechend vermeiden? Natürlich geht das nicht immer und überall und es bedarf oftmals auch einiger Anstrengung und Disziplin. Letzten Endes aber wird es uns allen zugutekommen. Denn nur so wird es uns gelingen unseren Kindern und Kindeskindern eine so schöne und lebenswerte Umwelt zu hinterlassen, wie wir sie vorgefunden haben.

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