Neulich in Bad Endorf …


Vor ein paar Tagen habe ich im Radio eine Sendung über das Wahlverhalten der Deutschen gehört. Es wurde darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt wäre nicht zur Wahl zu gehen. Oder, ob ein nicht ausgefüllter Wahlzettel der Demokratie am Ende mehr schade, als eine Partei, deren Werte man nicht teile.


Ein Spaziergang durch Endorf hat mich zu einer ganz eigenen und sehr klaren Meinung gebracht. Geht wählen, denn Politik geht alle an! Politik wird von uns allen gemacht! Wir sind Politik! Und wenn ich noch eins draufsetzen darf, würde ich spontan davon abraten alte weiße Männer zu wählen.


Ist ein etwas provokanter Anfang für einen kleinen Artikel auf einer kleinen Seite eines kleinen Ortsverbandes, aber lest bis zum Schluss, vielleicht macht es dann mehr Sinn für euch.


Auf meinem Spaziergang traf ich einen amtierenden Gemeinderat aus Endorf. Ich freute mich darüber, denn ich treffe gerne Menschen und diskutiere Politik – über die großen und die kleinen Themen. Man tauschte sich aus und ließ vorsichtige und achtsame Bemerkungen über den Bundestagswahlkampf fallen. Dann plötzlich – ich betone gerade, wie wichtig ich es fände, dass mehr Menschen sich wieder von der Politik wahrgenommen und angesprochen fühlen sollten. Und das doch das politische Engagement in der Gemeinde eine Möglichkeit wäre das zu spüren und sich der eigenen politischen Selbstwirksamkeit bewusst zu werden. Da wird mir der Satz entgegengeschleudert: „Ja, du träumst wohl!“


Erst muss ich mal schlucken, versuche ruhig zu bleiben. Weil träumen ist ja an sich nichts Anrüchiges. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieser Satz sehr persönlich gemeint war. Will der Gemeinderat mir meine feste Überzeugung nehmen, dass Kommunalpolitik für die Menschen da ist und, dass jede Person dort mit ihren Rechten, ihren Werten und ihrem Engagement willkommen ist? Wir unterhalten uns weiter, versuchen wieder auf etwas einfacheres Terrain zu kommen. Aber plötzlich sind wir mitten in Sätzen wie „Es gibt Gruppen in Deutschland, die sich nicht integrieren wollen.“ Oder „Man müsste als erstes die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen.“ Auf meinen Hinweis, dass meine Kinder die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen und, dass ich das wertvoll fände, kommt nicht mehr viel.


Ich fühle mich zunehmend unwohl in der Einfahrt dieses Gemeinderates. Dann, ich will mich gerade verabschieden, kommt die Gattin auf mich zu „um endlich mal zu sagen“, was sie „schon lange mal sagen wollte.“ Man kennt sich ja schließlich in Endorf. „Das nämlich der Schulbus jetzt nicht mehr die Abkürzung über den Fuß- und Radweg nehmen darf, wegen dem Poller“, das fände sie nicht richtig.

Ich verkneife mir sie darüber aufzuklären, dass der Schulbus nicht auf Grund des Pollers (der ja eh von „unbekannten Tätern“ abmontiert wurde und wenn er je wieder ersetzt werden sollte ohne Aufsehen umfahren werden kann) dort nicht mehr fahren darf, sondern weil die Fahrer*innen sich nicht an die Straßenverkehrsordnung gehalten haben.


Ich sage dazu also nichts und frage sie, warum sie das nicht richtig fände, denn ich hätte regelmäßig Angst, dass eines der vielen Kinder, die den Weg nutzen, angefahren werden. Sie antwortet mir darauf, „weil unsere Kinder dann später zum Essen zuhause sind.“ Oder habe ich das geträumt?

Keine alten weißen Männer mehr wählen zu wollen, bleibt vermutlich eine Pauschalisierung, die uns als Gesellschaft auch nicht weiterbringt. Was mir aber heute so klar ist, wie nie zuvor, ist, dass die Kommunalpolitik von viel mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Werten mitgestaltet werden muss. Dass wir mit allen Menschen – auch mit den alten und weißen Männern – im Dialog und Austausch bleiben müssen. Dass ich mich und andere motivieren werde Verantwortung zu übernehmen und zu partizipieren an einem Kulturwandel in Endorf hin zu mehr Lebensqualität für alle, für ökologische Zukunftsgerechtigkeit und vor allem für ein offenes, respektvolles und tolerantes Miteinander auf Augenhöhe.

Mareike Melain

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Verwandte Artikel