Martin Both ist Sprecher der Grünen Fraktion im Marktgemeinderat Bad Endorf.
Er denkt darüber nach, warum unterschiedliche Ansichten und Ziele erstmal zu Konflikten führen – aber meistens auch zu besseren Lösungen.
Warum Parteien?
Warum Parlamente, Gemeinderäte? Wären wir nicht besser dran ohne? Kein Streit, schnelle Entscheidungen – die Vorteile liegen doch auf der Hand. Stattdessen quälend lange Sitzungen, das Geplänkel und Gezänk in den Zeitungen und Sozialen Medien.
Und das Ganze ohne dass sich die drängenden Probleme lösen lassen:
Verkehr in Bad Endorf – jahrzehntelanger Stillstand.
Das Großthema Klimakrise – ein paar Kilowatt Solarstrom, ein paar ausgewechselte Glühbirnen vielleicht.
Aber ungeklärt bleiben die Fragen, wie unsere Landwirtschaft arbeiten kann, ohne unser Trinkwasser zu gefährden, die Böden, die Artenvielfalt.
Wie sich gegen die Wassermassen nach den immer häufiger auftretenden heftigen Regenfällen wehren?
Wie sich im Sommer gegen die Hitze schützen?
Wollen wir ernsthaft Blech, Russ, Lärm und Gestank als unabänderbaren Mittelpunkt unseres Ortes hinnehmen?
Und die inzwischen bedauerlich regelmäßigen Todesfälle auf unseren Straßen im Ort dazu?
Ein Blick auf die Bilanz des Endorfer Marktgemeinderates fällt mit Blick auf diese Fragen frustrierend bescheiden aus.
Warum also Politik?
Damit uns ein Rat erklären kann, dass regionaler Strom besser ist, damit die Elektronen keinen langen Umwege über Stromtrassen machen müssen?
Damit uns ein Bürgermeister erklären kann, er sei beim Thema Ortsverkehr machtlos, weil nicht seine Verwaltung, sondern eine andere Behörde zuständig ist?
Und das während in einem anderen Ort an derselben Straße Verkehrsinseln entstehen und Fahrradwege?
Warum also demokratische Politik?
Ein Antwortversuch mit zwei Voraussetzungen:
Voraussetzung eins: Streit und Konflikt ist nicht der Ausnahmefall, sondern die Arbeitsweise von Parlamenten und auch Gemeinderäten. Die Konflikte sind nicht deswegen da, weil sich die Räte nicht ausstehen können, sondern weil sie draußen in der Wirklichkeit passieren.
Wie gesagt, in Endorfs katastrophaler Verkehrssituation sterben regelmäßig Menschen. Ein Konflikt, keine Frage!
Es gibt dabei Fraktionen, die können sich eine innerörtliche Fortbewegung nur schwer ohne Auto vorstellen. Es gibt Mehrheiten für einen Kreisel, der einzig und allein für einen flüssigeren Autoverkehr im Ort gebaut werden wird.
Dagegen stehen Gruppen und Ideen, die eine Fortbewegung mit Rad oder zu Fuß erleichtern wollen, die dem Autoverkehr zugunsten von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen etwas von dem Raum abnehmen wollen, den er in den vergangenen 50 Jahren durch unsere Gesellschaft eingeräumt bekommen hat.
Ein Konflikt – keine Frage.
Wie also umgehen mit diesem Konflikt? Wirksam kann er nur dann werden, wenn er sichtbar wird. Wenn er öffentlich stattfinden darf. Wenn der Streit
darüber nicht lästig ist, sondern als ein Ringen um Lösungen begriffen wird. Wir streiten, weil wir Lösungen wollen!
Voraussetzung zwei für eine Antwort auf die Frage, warum Politik: Parteien sind kein Übel, nicht lächerlich, sondern Voraussetzung für einen politischen Konflikt. Sie sind Testlabore für Ideen. Sie sind Probebühnen für Politiker, die mit Ideen in Konflikten überzeugen müssen. Wenn der Konflikt der Normalfall des Politischen ist, dann sorgen die Parteien für das Skript und die Charaktere im Drama.
Mit Ideen und Menschen werden Mehrheiten gewonnen – im besten Fall für Lösungen in einem Konflikt.
Gute Parteien bündeln diese Ideen, bündeln Charaktere und haben die Kraft für Mehrheiten zu sorgen:
Für Tempo 30 auf allen Ortsstraßen in Endorf, für ein Weniger an Parkplätzen, für eine bessere
Infrastruktur für Fußgänger*innen und Menschen auf dem Fahrrad zum Beispiel.
Diese beiden Voraussetzungen angenommen, wird demokratische, parlamentarische Politik schließlich produktiv. Sie überzeugt, findet Mehrheiten
und kann handeln. Vor einem Publikum, das vielleicht nicht immer Beifall spendet, das aber immerhin die Chance hat, im politischen Streit eine Antwort
auf die eigenen, widersprüchlichen Forderungen und Fragen zu erkennen.
Erst mit dem sichtbaren politischen Streit wird ein gefundener Kompromiss gültig. Der politische Streit findet deshalb auf offener Bühne statt. Eine Parlament, ein Rat, wo anstelle des Konfliktes Einigkeit, Harmonie und Wohlgefallen herrschen sollen, ist entweder gefährlich disfunktional oder Blödsinn und reine Zeitverschwendung.
Martin Both
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