Bezahlbarer Wohnraum fehlt in Bad Endorf.
Luxusappartements für den Lebensabend mit Bergblick entstehen allenthalben. Wer dagegen eine Wohnung sucht, deren Miete bei 1.800, 2.000 Euro Nettoeinkommen noch genug fürs Leben übrig lässt, wird bei uns meist lange suchen müssen. Das ist ein Problem, ein soziales genauso wie ein wirtschaftliches. Sozial, weil es ungerecht ist, eine Gemeindegesellschaft um ein paar Unternehmensberater*innen mit Großstadtgehalt, ein paar Zahnärzt*innen im Ruhestand und sonstige
Privatiers herum zu gestalten. Wirtschaftlich, weil jeder Handwerksbetrieb, jede Gesundheits- und Pflegeeinrichtung, jeder Handelsbetrieb auf Hände angewiesen ist, die zupacken. Hände, für die es ganz konkret einen Platz braucht, um zu wohnen, Kinder großzuziehen, zu leben.
Es ist ein Kernproblem unserer Gesellschaft – in einem Landstrich wie unserem, der von den Bessergestellten bevorzugt wird, zeigt es sich besonders scharf. Den Kommunen, den Gemeindeverwaltungen, den Räten und den Bürgermeister*innen kommt bei der Lösung des Problems eine besondere Rolle zu. Sie haben die Hoheit über das, was vor Ort gebaut wird.
Soweit zum Grundsätzlichen. Nun drängen wir als Grüne Fraktion seit bald acht Jahren darauf, in Endorf bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ein mögliches Projekt an der Chiemseestraße nahe der Brücke über die Bahn hat bereits vor mehr als fünf Jahren die grundsätzliche Zustimmung des Marktgemeinderats bekommen. Das Argument des Bürgermeisters, warum das Rathaus diesen Beschluß nicht umsetzt: Er
will seine Verwaltung nicht mit der Arbeit für ein derartiges Bauprojekt belasten.
Jetzt trat ein Verein auf, dem ganz in der Nähe, ebenfalls an der Chiemseestraße ein großes Grundstück gehört, und bot der Gemeinde bereits vor mehr als einem halben Jahr an, eben jenes Grundstück Bad
Endorf in Erbpacht für die Planung und den Bau bezahlbaren Wohnraums zu überlassen. Über 100 Wohneinheiten könnten so entstehen. Mit dem Pachterlös will der Verein an anderer Stelle im Gemeindegebiet eine neue Sportstätte einrichten.
Wie alles in Bad Endorf hat jedoch auch diese Geschichte eine Vorgeschichte. In der Gemeindeverwaltung und auch in Teilen des Rates hält sich seit Jahr und Tag die Idee, dass das besagte Vereinsgrundstück eigentlich im Gemeindebesitz sein sollte. Auch hier haben wir als Grüne Fraktion regelmäßig seit unserem Einzug in den Rat 2014 darauf gedrängt, diese Frage abschließend zu klären. Bis auf einen Rohentwurf für einen Übertragungsvertrag und verschiedene, teils sich widersprechende Aussagen darüber, auf welcher Grundlage und unter welchen Voraussetzung der Verein der Gemeinde besagtes Grundstück hätte überlassen sollen, haben wir in all den Jahren keine Grundlage für ein solches Übertragungsgeschäft erkennen können.
Fakt ist: Der Verein steht im Grundbuch als Eigentümer für das Grundrecht und wird bei laufenden Bauverfahren auch von der Gemeinde als solcher behandelt. Der Vertragsentwurf wurde niemals
unterschrieben, und die damals offenbar mündlich geführten Verhandlungen über eine Übertragung des Grundstücks blieben bis heute folgenlos. Entsprechend ist für uns die Eigentumsfrage unstrittig.
Bleibt also die Frage: Warum liegt das Angebot des Vereins bis heute nach beinahe einem Jahr nicht dem Gemeinderat vor? Warum muss sich der Verein, um in der Angelegenheit Gehör zu finden, erst mit einem
Schreiben an die Fraktionssprecher wenden? Und warum verschwindet wie vor wenigen Wochen das Thema Wohnungsbau nach Intervention des zweiten Bürgermeisters (SPD) mit Billigung der Ratsmehrheit von der Tagesordnung des Gemeinderates?
Nicht dass all diese bummelige Ignoranz beim Thema bezahlbarer Wohnraum in Bad Endorf nicht irgendwie ins Bild passte. Kein Thema wird im Rat – ein Gremium voller Häusle- und Grundbesitzer – derart leidenschaftslos behandelt. Ein Thema wie gesagt – und damit zurück zum Grundsätzlichen – mit enormer gesellschaftlicher Sprengkraft. Ein Thema, für dessen Lösung die Gemeindeparlamente mit ihrer
Planungshoheit allerdings den Schlüssel in der Hand halten. In Bad Endorf hätte man zur Lösung sogar ganz konkrete Möglichkeiten vor Augen.
Man müsste sie nur nutzen wollen.
Martin Both
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